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2023-01-13 10:57:58 By : Mr. Peter Zhang

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HBO: eine Alternative zur Beatmungsmaschine?

HBO: eine Alternative zur Beatmungsmaschine?

HBO: eine Alternative zur Beatmungsmaschine?

Im Kampf gegen schwere Corona-Erkrankungen erproben Kliniken eine neue Behandlungsmethode: die hyperbare Sauerstofftherapie, kurz HBO. Bei einigen Patienten hat sie bereits angeschlagen, auch ein möglicher Einsatz bei Long Covid wird geprüft.

Sie will anonym bleiben, ist 60 Jahre alt und ohne Vorerkrankungen. Die Regensburger Patientin erkrankt im Januar an Corona. Sie kommt in die Klinik St. Josef, ihr Zustand verschlechtert sich, die Lungen sind schwer angegriffen. Es droht eine Verlegung auf die Intensivstation mit künstlichem Koma und Beatmung, für die Patientin ein Schock.

Aber die Klinik ist auch ein Zentrum für hyperbare Sauerstofftherapie, kurz HBO. Aktuell nimmt die Caritas-Klinik St. Josef als einziges deutsches Zentrum an einer internationalen Studie des renommierten Karolinska-Institut in Schweden zu Corona und HBO teil.

Untersucht wird, ob die hyperbare Sauerstofftherapie Patienten, denen ein schwerer Verlauf droht, künstliches Koma und Beatmung auf der Intensivstation möglicherweise ersparen kann. Denn je älter die Patienten sind, desto geringer sind bei einer solchen Behandlung ihre Überlebenschancen. Doch wie kann die hyperbare Oxygenation, kurz HBO, das verhindern?

HBO wirke über zwei Effekte, erklärt der Mediziner Michael Pawlik vom Caritas-Krankenhaus St. Josef in Regensburg: Der eine Effekt sei eine Verbesserung der Sauerstoffversorgung. "Und der zweite ist, dass die hyperbare Sauerstofftherapie immer auch antientzündlich wirkt. Und das ist der Haupteffekt, der die schwere Infektion, die schwere Entzündung des gesamten Körpers abfedert und abschwächen kann."

Die Patientin entscheidet sich, an der Studie teilzunehmen und hat Glück. Sie wird zur Behandlung in der Druckkammer ausgewählt. Bei knapp 1,4 bar, das entspricht einem Druck in 14 Meter Wassertiefe, verbringt sie jeweils zwei Stunden an fünf Tagen in Folge in der Druckkammer und atmet dabei einhundertprozentigen Sauerstoff. Die Behandlung schlägt an.

"Kommt es nach einer Corona-Infektion zur Verschlechterung der Lungenfunktion und dann zur Aufnahme auf die Intensivstation, reden wir von drei, sechs oder bis zu zwölf Wochen Therapiedauer", so Mediziner Pawlik. Mit der HBO-Therapie sei es bei dieser Patientin gelungen, nach vierzehn Tagen eine Entlassung zu erreichen.

Welche und wie viele Patienten genau von der Behandlung profitieren, lässt sich abschließend erst beurteilen, wenn die Studie beendet und ausgewertet ist.

Studien mit hyperbarem Sauerstoff gibt es nur wenige. Denn solche Studien fallen unter das Arzneimittelgesetz und normalerweise stehen dahinter Konzerne, die auf Gewinne mit möglichen neuen Medikamenten hoffen. Sauerstoff aber ist altbekannt, billig und gut verfügbar. Daher gibt es nur wenige Zentren, die in der Lage sind, die aufwändigen Vorbereitungen solcher Studien und ihre Durchführung zu leisten.

Selbst bei den wichtigsten Therapien, den Notfallbehandlungen von Tauchunfällen, sowie Kohlenmonoxid- und Rauchgasvergiftungen ist die Studienlage überschaubar. Das hat allerdings auch damit zu tun, dass die Therapie in diesen Fällen medizinisch offensichtlich und allgemein anerkannt ist.

Durch Atmung des reinen Sauerstoffs unter Druck wird das Blut zusätzlich mit Sauerstoff angereichert. Der hyperbare Sauerstoff gelangt an Stellen, die Medikamente nicht erreichen und wirkt dort antientzündlich. Er löst außerdem eine ganze Reihe weiterer Reaktionen des Körpers aus, wie vermehrtes Zellwachstum, und fördert die Wundheilung.

Als Notfallbehandlung bewährt hat sich die HBO-Behandlung bei Kohlenmonoxid- und Rauchgasvergiftungen: Der hyperbare Sauerstoff verdrängt Kohlenmonoxid, das 200-mal fester als Sauerstoff an Blutkörperchen und in Körper- und Gehirnzellen bindet. Lebensgefährliche und bleibende Schäden können so verhindert werden, vorausgesetzt die Patienten kommen innerhalb der ersten Stunden nach dem Zwischenfall zur Behandlung in eine Druckkammer.

In Deutschland gibt es heute nur zwölf HBO-Zentren, die Notfälle rund um die Uhr behandeln können. Eines der größten befindet sich in der berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau.

Die HBO-Medizin wird von Notfallmedizinern als wertvolle Zusatztherapie geschätzt und ist auch in Murnau fest etabliert. "Für uns ist die HBO unverzichtbarer Bestandteil unserer gesamten Behandlungskonzepte geworden", sagt Holger Schöppenthau vom Druckkammerzentrum der Unfallklinik Murnau. "Ich halte sie für so wertvoll - immer unter dem Aspekt, dass sie eine Ergänzung der meisten Therapien ist und kein Ersatz - dass wir darauf auf keinen Fall verzichten wollen."

Die Therapie hilft bei arteriellen Gasembolien, Gasbrand, Strahlenschäden nach Krebsbehandlungen, schweren Nekrosen, Weichteilinfektionen oder auch dem diabetischen Fuß. HBO-Behandlungen finden in Murnau täglich sogar mehrfach statt. Voraussetzung ist die zuvor erfolgte chirurgische Versorgung und, im Falle des diabetischen Fußes, die richtige medikamentöse Einstellung.

Die Zahl der Behandlungen ist unterschiedlich: Sie reicht von einigen wenigen, wie bei Tauchunfällen oder Kohlenmonoxidvergiftungen, bis hin zu mehrwöchigen Behandlungen wie zum Beispiel beim diabetischen Fuß. Dort aber sei HBO keine relativ schnelle oder kurzzeitige Methode, so Holger Schöppenthau, sondern man müsse die Behandlung dann schon über Wochen konsequent fortführen

Selbst Intensivpatienten in Narkose können in der Druckkammer behandelt werden. Oft wird die Behandlung sogar unmittelbar im Anschluss an Operationen begonnen. Das war auch bei Patientin Barbara R. der Fall. Da Patientinnen wie sie keinen aktiven Druckausgleich machen können, wird ihnen ein kleines Paukenröhrchen ins Trommelfell gesetzt.

Barbara R. habe eine nekrotisierende Weichteilinfektion, bei der Bakterien dafür sorgen, dass Gewebe untergeht. Begonnen habe das nach einem Blasendurchbruch. "Und das hat dafür gesorgt, dass Teile der Bauchwand untergegangen und einfach abgestorben sind. Nachdem sie operativ versorgt wurde, haben wir mit der HBO-Behandlung begonnen, um möglichst viel Gewebe zu erhalten."

Wie entscheidend die Behandlung sein kann, hat auch Landwirt Thomas Lindner aus Bruckberg erlebt. Ende 2020 hat er einen schweren Unfall. Er rutscht aus und gerät mit seinem rechten Fuß in eine Getreideförderschnecke. Die scharfen Kanten durchtrennen seinen Unterschenkelknochen und die meisten Gefäße. Sein Fuß ist kurz oberhalb des Sprunggelenks fast vollständig abgetrennt. Nach mehreren Operationen ist sein Bein so angeschwollen, dass sein Fuß abzusterben droht. Er wird aus der Uniklinik Regensburg in die Caritas-Klinik St. Josef verlegt und bekommt zehn HBO-Behandlungen.

"Die hyperbare Sauerstoffgabe hat dazu geführt, dass der Patient letztlich in kurzer Zeit gesundet ist, dass das Bein abgeschwollen ist, die Wunden geheilt sind und er nach wenigen Wochen entlassen werden konnte", sagt Dr. Pawlik dazu.

Thomas Lindner ist überzeugt, die HBO-Therapie hat wesentlich dazu beigetragen, seinen Fuß zu retten. Heute kann er ihn wieder voll belasten, seinen Betrieb fast wieder so führen wie vor seinem Unfall.

Inzwischen planen die Zentren Murnau und Regensburg neue Studien zur HBO-Medizin, denn beide Zentren sehen Potential für ein weiteres, hochaktuelles Thema: Die Behandlung von Long-Covid-Patienten. "Es könnte sein, dass auch für Long-Covid-Patienten die HBO Therapie eine Behandlungsoption darstellt. Genaueres wird man aber erst sagen können, wenn man es wirklich gut untersucht., so Pawlik.

Noch im Laufe dieses Jahres sollen die Untersuchungen dazu beginnen. Vielleicht können Druckkammern bald noch mehr Menschen helfen, wieder ganz gesund zu werden.

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