„Der PUE hat keinen Wert für die Klimaneutralität“

2023-01-13 10:48:32 By : Ms. Jane Liu

Klimaneutrale Rechenzentren stehen zumindest in Europa auf der politischen Agenda. Der Koalitionsvertrag der aktuellen deutschen Regierung gibt 2027 als Datum vor. Bis dahin sollen neu zu errichtende Rechenzentren zumindest rein rechnerisch keine Treibhausgase mehr abgeben.

Herr Rabe, was ist Ihre Definition von „klimaneutral“ bei einem Rechenzentrum und welche Schritte müssen wir gehen, um dieses Ziel zu erreichen?

Klimaneutral heißt für mich, dass die Summe der Treibhausgase über den gesamten Lebenszyklus eines Rechenzentrums nicht größer als Null ist. Das bedeutet, dass Produkte, Organisation oder Menschen kein CO2 emittieren dürfen, ob als Emissionen aus direktem oder indirektem Energieverbrauch oder als Emissionen aus Energieverbrauch, der in der Wertschöpfungskette dem Rechenzentrumsbetrieb vor- oder nachgelagert ist.

Nur damit unsere Leser es besser einordnen können: Die direkten Emissionen sind das, was das weltweit akzeptierte Treibhausgas-Protokoll als Scope1-Emissionen bezeichnet; der indirekte Energieverbrauch steht für die Scope2-Emissionen und Scope3 steht für den eben genannten großen Rest der Wertschöpfungskette.

Ganz genau. Im Fall von Rechenzentren bedeutet die Einteilung, dass man keine fossilen Energien direkt verbrennt, beispielsweise mit Backup-Generatoren auf Dieselbasis und möglichst nur noch erneuerbare Energien für Server, Kühlung etc. einsetzt, sodass auch die indirekten Emissionen aus dem Verbrauch von Energie in Richtung Null gehen.

Die große Masse der Emissionen fallen indes unter Scope3, also diejenigen, die aus Prozessen kommen, die dem Rechenzentrumsbetrieb vor- und nachgelagert sind. Die hatte man lange überhaupt nicht auf dem Schirm, auch weil diesbezügliche Messungen nicht einfach sind. Im Moment kommt da aber vieles in Bewegung. Und sobald wir damit anfangen, die Emissionen in allen drei Scopes zu messen, können wir das Problem endlich ganzheitlich angehen. Bei Rechenzentren sind das in erster Linie die Gebäude selbst und die Server-Infrastruktur, die ja meist noch alle drei bis fünf Jahre ausgetauscht wird.

Die Gebäude sind dabei ein besonders heikler Punkt, denn dort sind bisher gängige Baumaterialien wie Stahl und Beton besonders kritisch. Sie machen weltweit 14% der CO2 Emissionen aus. Wenn wir anders bauten und wenn dann noch konsequent die Rechenzentrumswärme genutzt würde, wären wir einen großen Schritt weiter in Richtung Emissions-Neutralität. Aber auch im Scope2-Bereich gibt es noch großes Effizienz-Potenzial. So sollten Rechenzentrumsbetreiber klar festlegen, welche Betriebstemperaturen in welchen Monaten tatsächlich nötig sind.

Wenn ich es richtig sehe, sind aber gerade die Scope3-Emissionen Ihr großes Thema. Wie kam das?

Das ergab sich einfach aus der Praxis. Bei der Planung eines Rechenzentrumsstandorts, mit der ich beauftragt war, standen große Kapazitäten Windstrom und eine nachhaltige OCP Serverhardware aus dem Kreislaufprogramm von Facebook zur Verfügung, das Gebäude des Rechenzentrums selbst stach aber negativ heraus. Die angebotenen modularen Rechenzentren waren teuer und nicht auf die Möglichkeiten der Hardware angepasst. Daher konstruierte ich mein Rechenzentrum sozusagen Verbraucher-orientiert.

Wenn Sie sich den Nachhaltigkeitsreport 2020 von Meta, ehemals Facebook, anschauen haben die Scope3-Emissionen im Jahr 2019 einen Anteil von 94% an den Gesamtemissionen des Unternehmens, im Jahr 2020 sind es sogar 99%. Die Scope3-Emissionen sind das eigentliche Problem auf dem Weg zu Klimaneutralität, weil sie am schwierigsten zu erkennen und noch schwieriger zu beeinflussen und damit zu reduzieren sind. Mit emissionsarmen Baustoffen wie Brettschichtholz beim Bau von Rechenzentren sind hier große Einsparungen zu erzielen, ich arbeite in dieser Sache derzeit mit großen Unternehmen zusammen. Aber es gibt auch bei der Verbesserung der Scope1- und Scope2-Emissionen noch viel zu tun. Oft sind es ganz praktische Herausforderungen.

Rechenzentrumsplaner Karl Rabe: "Rechenzentren sollten aus nachwachsenden Rohstoffen gebaut, mit erneuerbarer Energie betrieben und mit recycelten Servern bestückt und mit Wärmerückgewinnung kombiniert werden." (Bild: privat)

Es gibt eine deutliche Lücke zwischen den Spezifikationen der Server und dem Modus, wie sie in sogenannten modernen Rechenzentren betrieben werden. Nur sehr große Unternehmen wie Facebook, Google, Amazon oder die Deutsche Telekom haben die Skalierungsmöglichkeiten, um gängige Praktiken zu hinterfragen und um einen besser abgestimmten Rechenzentrumsbetrieb zu realisieren, sprich zum Beispiel die Betriebstemperaturen an die Jahreszeit anzupassen. Der deutsche Mittelstand bekommt häufig standardisierte RZ-Lösungen vorgesetzt. Oder er nutzt ein Colocation-Angebot. Letztere sind häufig sehr konservativ, damit sie für alle Kunden passend sind. Die von mir konzipierten WoodenData-Center sind dagegen auf höchste Effizienz ausgerichtet, angefangen von der Flüssigkühlung, sehr niedrigen Emissionen durch Holzbau und optimales Design im Bereich der Server-Architektur.

Sie haben zusammen mit dem rheinland-pfälzischen Supraleitungs-Spezialisten Vision Electric Superconductors das Open Compute Project „ECO Open Superconducting“ (EOS) initiiert, das mit einem Konzept aus Supraleitungs-Gleichstrom, Holz statt Beton und Stahl sowie einem Verdampfungs-Kühlkonzept einen umfassenden Paradigmenwechsel in der Datacenter-Architektur erreichen will. Die emissionsarme Bautechnik haben Sie gerade erläutert. Können Sie auch den Einfluss der anderen beiden Komponenten auf ein klimaneutrales Rechenzentrum beschreiben?

Zusammen mit Wolfgang Reiser von Vision Electric Superconductor haben wir dort das EOS-Rechenzentrum in deren „Future Technology“-Initiative eingebracht. Wir haben sehr viel positives Feedback für das Konzept bekommen und das erste Projekt ist gerade in der Planung.

Ich will das Konzept der supraleitenden Gleichstrom-Schiene kurz erläutern. Im Serverbereich ist es ja so, dass alle Komponenten mit Gleichstrom betrieben werden – CPU, Arbeitsspeicher und Festplattenspeicher. Der Strom kommt aus einem Netzteil mit 230 V. Die Transformation von Wechselstrom auf Gleichstrom runter bis zu einer Spannung von 1,5 V ist nicht besonders effizient, besonders im Teillastbereich. Zusätzlich sind auf dem Weg vom Transformator bis zum Server weitere Umrichtungs- und Gleichrichtungsschritte notwendig. Die Verluste können sich bis auf 45% summieren.

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Nur nebenbei: Im gängigen Messwert „Power Usage Effectivness“, abgekürzt PUE, der die Energieeffizienz von Rechenzentren angeben soll, werden diese Verluste häufig überhaupt nicht erfasst. Die Probleme kann man umgehen, wenn man von Anfang an auf Gleichstrom im Rechenzentrum setzt. Dies wird häufig als nicht praktikabel angesehen, weil in Gleichstromleitungen die Verluste zu hoch sind. Hier kommen die supraleitenden Stromschienen ins Spiel. Damit können große Ströme bei niedrigen Spannungen verlustfrei durch das Rechenzentrum bis sehr nah an den Server herangeführt werden. Dadurch werden Komponenten, Material und Energie eingespart.

Wie sehen Sie die Chancen für den umfassenden Einsatz von Gleichstrom in Rechenzentren?Derzeit fehlt es ja vor allem noch an standardisierten, halbwegs preisgünstigen Bauteilen?

Wir arbeiten konkret an mehreren Projekten, die supraleitende Gleichstromversorgung im Rechenzentrum umsetzen wollen beziehungsweise müssen, um sowohl ihre Effizienz als auch ihre sonstigen Emissionen zu verbessern. Interessanterweise können wir bei der Beschaffung von geeigneten Gleichstrom-Komponenten auf Einsatzgebiete aus der Seefahrt im weiteren Sinn, also große Schiffe, aber auch Ölbohrplattformen, zurückgreifen, die ebenfalls eine 2N-Versorgung, analog wie im Rechenzentrum, umsetzen. Auch dort sind Effizienz-Fragen der primäre Treiber.

Das Spannende ist, dass wir mit den Gleichstrom-Komponenten aus der Marine-Welt Stromversorgungen bauen können, die sicherer und verfügbarer sind als mit Wechselstrom-Komponenten. Sie werden sehen: Sobald das erste supraleitende Rechenzentrum steht, ist es so wie mit dem ersten Tesla. Niemand kann dann mehr verstehen, warum man glauben konnte, dass E-Autos beziehungsweise Rechenzentren mit Gleichstrom-Suprastrom-Schienen nicht flächendeckend eingesetzt werden können.

Wenn ich richtig recherchiert habe, spielt im Zusammenhang mit der Suprastrom-Schiene auch ein neues Medium im Kühlbereich eine wichtige Rolle…

Das ist richtig. Wir haben uns bei der Kühlung für die Cloudcooler-Systeme von EcoCooling entschieden, dort liegen internationale Patente vor, um mit flüssigem Stickstoff bei -200 °C im Bedarfsfall die IT zu kühlen. Dies ist besonders interessant an Standorten, die nur wenige Tage im Jahr stundenweise hohe Temperaturen aufweisen. Außerdem können die Systeme von EcoCooling mit dem Flüssig-Stickstoff im Brandfall auch den Sauerstofflevel absenken und so Brände in einem frühen Stadium verhindern.

Klimaneutrale Rechenzentren stehen im Koalitionsvertrag der aktuellen deutschen Regierung. Bis 2027 sollen neu zu errichtende Rechenzentren zumindest rein rechnerisch keine Treibhausgase mehr abgeben. Ein realisierbares Ziel? Und was bedeutet 'klimaneutral'? Die Maßnahmen auf dem Weg zum klimaneutralen Rechenzentrum sind vielfältig. Es handelt sich um ein technisches und organisatorisches Puzzle, bei dem viele Teile für das große Ganze zusammenkommen.

Abgesehen von diesem neuen Medium. Es gibt Zahlen, dass 90 Prozent der IT heute noch luftgekühlt ist? Wieso nutzt man ein solches Medium, obwohl zum Beispiel Wasser eine 4000mal höhere Wärmekapazität hat? Und wieso kühlt man in Deutschland nicht mit Flusswasser statt mit mechanisch erzeugter Kälteenergie, die dann die Wärme an die Umgebungsluft abgibt. Welches CO2-Einsparpotenzial sehen Sie, wenn man hier Änderungen durchsetzen könnte?

Zum ersten Teil Ihrer Frage: Ich glaube Wasser hat historisch einen schlechten Ruf aus der Zeit der Mainframes. Mittlerweile hat sich die Kühltechnik als Infrastruktur weiterentwickelt, und Flüssigkühlung ist angesichts der steigenden Wärmeabfuhr-Kapazität der Chipsets für CPU und GPU alternativlos, da die Wärme sonst nicht mehr ideal abgeführt werden kann. Gerade im High-Performance-Computing findet daher ein Umdenken statt, das auch bald an anderer Stelle spürbar sein wird.

Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Das kann ich mir nicht erklären. Kälte künstlich zu erzeugen, ist immer aufwendig. Wenn man dies durch eine Grundwasser- oder Flusskühlung vermeiden kann, halte ich das für eine kluge Strategie. Allerdings kann man gerade im Sommer nicht beliebig Wärme in fließende oder stehende Gewässer pumpen, dies stört deren Ökosysteme. Das Einsparpotenzial durch Flüssigkühlungslösungen ist jedenfalls enorm. Dazu tragen besonders drei Punkte bei:

Mit Flüssigkühlungen kann ich sehr hohe Temperaturen im Medium Wasser erreichen, zwischen 50 und 70 Grad sind hier möglich. Diese hohen Temperaturen kann ich an jedem beliebigen Standort auf der Welt ohne künstliche Kälte mit einfachen Trockenrückkühlern in die Umgebungsluft herunter kühlen. Durch einfachere Trockenrückkühler erhält man als Betreiber zwei Vorteile. Diese sind deutlich günstiger als Klimageräte, bis zu 10mal kostengünstiger. Außerdem benötigt man weniger Komponenten, spart also Scope3-Emissionen ein, benötigt keine klimaschädlichen Kältemittel und deutlich weniger Wartung. Dies führt zu bestmöglicher Effizienz und das bei sehr guten Anschaffungs- und Betriebskosten. Flüssigkühlungen machen Wärmerückgewinnung attraktiv. Durch das hohe Temperaturniveau im Wasser kann man die Wärme des Rechenzentrums besser transportieren, transferieren und nutzen.

Kann man ein halbwegs emissionsarmes Rechenzentrum nicht von vornherein vergessen, wenn man Treibhausgas-intensive Kältemittel einsetzt? So hat das durchaus gängige Kältemittel R134a einen um 1430mal so großen Treibhauseffekt wie CO2.

Wenn man für sein Rechenzentrum ein Kältemittel benötigt, hat man schon falsch geplant. Für kleine Leistungen gibt es Lösungen, die mit Wasser als Kältemittel funktionieren, wir haben das vor ein paar Jahren bei Windcloud gemacht. Und große Leistungen werden nicht in Deutschland stehen, solange wir so hohe Stromkosten in Deutschland haben. Wenn man aber für Deutschland große Rechenzentren plant, sollte man entweder direkt mit Flüssigkühlungen planen oder je nach Standort auf hohe Betriebstemperaturen im Sommer setzen. Diese Vorgaben kollidieren aber natürlich mit der Geschäftspraxis großer Colocation-Anbieter.

Sollten beziehungsweise können auch die Zwecke eines bestimmten Rechenzentrums in die Klimarechnung eingehen? Wenn dieses beispielsweise Geschäftsreisen in großem Maßstab einspart, weil es digitale Konferenzen ermöglicht. Oder wie beurteilt man ein Rechenzentrum, das Strom aus erneuerbaren Energien benutzt und an einem norwegischen Fjord gekühlt wird, aber mit riesigem Energiebedarf Kryptowährungen „schürft“? Kann man für solche teils gegenläufigen Parameter überhaupt eine standardisierte Messlatte finden?

Der Zweck heiligt in diesem Fall nicht unbedingt die Mittel, gerade bei digitalen Features wie beispielsweise Videokonferenzen oder Streaming schlägt der Rebound-Effekt gnadenlos zu. Krypto-Mining beispielsweise kann bei proof-of- work niemals grün sein. Man muss sich daher die Lebenszyklusanalyse für seine Produkte ansehen. Nur dann, wenn man die Gesamtheit der Umweltwirkungen seines Produkts über Produktion, Nutzung und Entsorgung kennt, kann man anfangen, vernünftige Entscheidungen und Einsparungen vorzunehmen.

Sie haben schon den häufig benutzten Parameter „Power Usage Effectiveness“ alias PUE erwähnt. Ganz generell gefragt: Hat ein Parameter wie PUE überhaupt einen Wert für die Klimaneutralität? Oder besser: Wird PUE nicht nach Belieben verfälscht? Letztlich ist doch nur ein Jahres-Durchschnitt-PUE des Wirkstroms überhaupt aussagekräftig?

Der PUE hat keinen Wert für die Klimaneutralität. Abgesehen davon, dass er zu viel Unschärfe durch Komponenten wie Lüfter und Netzteile enthält, wie ich vorhin schon angedeutet habe, optimiert er nur einen kleinen Teil der Scope2-Emissionen und liefert damit nur einen Beitrag höchstens im einstelligen Prozentbereich in Richtung Klimaneutralität. Die wirklichen Hebel lassen sich bei der Gebäude- und IT-Infrastruktur lokalisieren.

Wie steht es mit der Nutzung der Abwärme für Heizung, Stromerzeugung etc.? Wie umgeht man das Problem, dass die Abwärme nicht genügend hohe Vorlauftemperatur erzeugt: Wärmepumpe? Umstellung auf flächenintegrierte Heizsysteme (statt Hochtemperatur-Konvektionsheizung), die auch mit einer Vorlauftemperatur zwischen 18 °C und max. 35 °C auskommen?

Ein wichtiger Schritt ist da die Flüssigkühlung, wie ich schon angedeutet habe. Hocheffiziente Wärmepumpen sind eine Alternative, idealerweise lässt man höhere Temperaturen im Rechenzentrum zu und senkt sie in den Wärmenetzen. In Deutschland laufen Wärmenetze häufig noch mit 125 °C, in deutlich kälteren Ländern wie Schweden laufen sie häufig mit 80 °C oder weniger, um mehr Prozesswärme einbinden zu können. Die von Ihnen angesprochenen flächenintegrierten Heizsysteme können auch eine wichtige Stütze sein.

Noch eine ganz andere Frage: Sollte eine Energiebilanz für ein Rechenzentrum, die mit gekauften Verschmutzungsrechten hantiert, überhaupt zulässig sein? Ist das besser als nichts oder nur grüne Augenwischerei?

Mittlerweile sehe ich Zertifikate sehr kritisch, da der Kunde eigentlich nie weiß, ob er abgeschriebene skandinavische Wasserkraft bekommt oder wirklich dafür errichtete erneuerbare Energien. Der Gesetzgeber unterscheidet hier nicht. Faktisch wird durch den Zertifikate-Handel nicht eine einzige fossile Kilowattstunde eingespart. Oder anders: Der Preis für die Zertifikate deckt noch nicht die wirklichen Kosten und ist damit nicht genug Anreiz. Ich befürchte, dass nur eine CO2-Steuer die gewünschten Effekte erzeugen wird.

Herr Rabe, können Sie das klimaneutrale Rechenzentrum in einem Satz zusammenfassen?

Rechenzentren sollten aus nachwachsenden Rohstoffen gebaut, mit erneuerbarer Energie betrieben und mit recycelten Servern bestückt und mit Wärmerückgewinnung kombiniert werden. Auch dann ist man nicht hundertprozentig klimaneutral, aber man ist ein ganzes Stück auf dem Weg dorthin weiter.

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